Teures Plusenergiehaus mit großem „Plus" | enbausa.de

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  • Von deutschewhiskybrenner
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Was erhält man, wenn man in ein massiv gebautes Einfamilienhaus alles hineinsteckt, was es an Energietechnik heute so gibt? - ein ziemlich teures Plusenergiehaus mit ziemlich großem "Plus". So könnte man das Ergebnis des Abschlussberichts zu einem Projekt im oberbayrischen Burghausen zusammenfassen.

Das Ziegelunternehmen Schlagmann und der Bau- und Energiekonzern Baywa haben nach den Plänen von Sonnenhaus-Altmeister Georg Dasch ein klassisches KfW-Effizienzhaus 40 mit ausgebautem Satteldach errichtet und ab Februar 2014 zwei Jahre lang von der TH Deggendorf vermessen lassen, gefördert vom Bundesbauministerium.

Die Ziegelwände sind mit dem vulkanischen Dämmstoff Perlit gefüllt, erlauben einen U-Wert von 0,14 W/m²K und umschließen eine beheizte Wohnfläche von 176 m². Im Keller arbeitet eine Wärmepumpe. Ungewöhnlich: der große Warmwasserspeicher, der mit seinen 48 Kubikmetern allein rund ein Drittel des Kellers einnimmt und vor allem die Fußbodenheizungen mit Wärme versorgt - aber auch Trinkwasserzapfstellen, Spül- und Waschmaschine und den Trockner.

Ebenso ist eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie installiert, die mit 10,8 kWh Kapazität als Tagesspeicher konzipiert ist. Auf dem Dach von Haus und Garage sind 103 m² Photovoltaikmodule verlegt, dazu noch 51 m² thermische Solarkollektoren. Außerdem gibt es eine Bauteilaktivierung und in jedem Raum ein Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung. Was das Haus an Strom nicht aufnehmen kann, geht in ein teilelektrisches Auto oder ins öffentliche Netz.

Endenergieüberschuss bei Strom und Wärme

Aus den Daten des Abschlussberichts lässt sich als Durchschnitt beider Messjahre errechnen, dass jeweils 31.047 Kilowattstunden (kWh) Wärme und Strom erzeugt, aber nur 19.269 kWh verbraucht wurden. Über die gesamte Zeit hinweg betrug also der Endenergieüberschuss 61 Prozent - entsprechend 66,9 kWh/m². Dabei kam etwa doppelt so viel Energie von den Sonnenkollektoren wie von den Solarmodulen. Auch getrennt nach Strom und Wärme wurde übers Jahr ein Überschuss erreicht; ebenso bezogen auf die Primärenergie.

Dennoch wurde wegen der Ungleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch auch im zweiten Jahr lediglich eine solare Wärmedeckung von 94 Prozent erreicht, beim Strom von 61 Prozent (Eigenverbrauch). Im Juli 2015 konnten fast 1.057 kWh Strom ins Netz eingespeist werden; trotzdem mussten sogar in diesem Monat mit dem höchsten Photovoltaikertrag (1.528 kWh) knapp 15 kWh aus dem Netz bezogen werden. Im Februar 2015, als die Wärmepumpe über 378 kWh Strom benötigte, lieferten die Solarmodule immerhin noch 434 kWh - aber offenbar nicht immer an den Tagen, wo sie gebraucht wurden: Zusätzliche 597 kWh mussten aus dem Netz entnommen werden.

Hohe Mehrkosten für umfangreiche Ausstattung

Gekostet hat das Haus rund 850.000 Euro. Das ist kaum mehr als das teuerste der Fertighäuser im Effizienzhaus-Plus-Programm, Gebäude in Holzrahmenbauweise. Zieht man allerdings die Mehrkosten gegenüber einem Haus heran, das den Strom aus dem Netz bezieht und mit einem Gaskessel beheizt wird, macht sich die Fülle der Zusatzausstattung bemerkbar. Den Unterschied in der Investition beziffert der Abschlussbericht mit knapp 102.000 Euro, also 580 Euro/m². Dagegen betrugen die Mehrkosten bei den neun anderen Einfamilienhäusern des Effizienzhaus-Plus-Programms nur zwischen 230 und 325 Euro/m².

Die Mehrkosten bei einem Fertighaus von Elbe-Haus in Brieselang bei Berlin, das mit seiner Massivbauweise (Porenbetonsteine) sowie Photovoltaik- plus Solarthermieanlage am ehesten vergleichbar ist, lagen bei 378 Euro/m². Freilich ist das Endenergie-Plus beim Gebäude in Burghausen mit 66,9 kWh/m² um mehr als den Faktor 6 höher als bei dem in Brieselang, wo nur ein Saldo von 10,8 kWh/m² erzielt wurde. Der Fairness halber sei auch erwähnt, dass allein die Speicherbatterie in Burghausen gut 22.000 Euro gekostet hat - ein Betrag, der inzwischen wesentlich niedriger wäre.

Mehr Wärme als nutzbar

Geht man die thermischen Monatsbilanzen durch, wird klar, dass auch thermisch viel Energie zur falschen Zeit anfällt. Vor allem im Juli und August liefern die Solarkollektoren so viel Wärme, dass der Speicher sie trotz seiner beachtlichen Größe nicht mehr aufnehmen kann. Im Verlauf des Jahres 2015 summierte sich die Wärmemenge, die über das Dach wieder an die Umgebung abgegeben werden musste, auf 3.488 kWh.

Für Stirnrunzeln sorgt der Umstand, dass das Haus zwar baulich für vier Personen ausgelegt ist, während der beiden Messjahre aber von einer nur dreiköpfigen Familie bewohnt wurde. Drei Personen benötigen nicht nur deutlich weniger Strom und Warmwasser, sondern im Zweifel auch weniger Heizenergie. Auf Nachfrage führte Raphaela Pagany, eine der drei Berichtsautoren der TH Deggendorf, aus: "Die Betrachtung des Verbrauchs pro Person war nicht Teil des Förderprojektes." Ein Korrekturfaktor sei überflüssig. Das zweite Kinderzimmer sei vom Mieter als Büro genutzt worden. "Dieser war dort Vollzeit tätig und der Raum gleichermaßen wie die anderen Räume beheizt."

Im Anhang des Berichts sind allerdings für das Messjahr 2015/16 in einem der Räume Monatsmittelwerte für die Raumtemperatur dokumentiert, die in drei Monaten jeweils 20 °C unterschreiten. Außerdem heißt es im Bericht: "Ebenso fließt der Verbrauch des Büros (Beleuchtung und Elektrogeräte) nicht in die Auswertung ein, da es vom Mieter ausschließlich für berufliche Zwecke Vollzeit genutzt wird." Sabine Heinrich-Renz, zuständig für die Pressearbeit, merkte an, in anderen Häusern des Effizienzhaus-Plus-Programms hätten sogar nur Paare gewohnt. Offenbar kann es nicht schaden, das Augenmerk zukünftig verstärkt auf "unterbesetzte" Testhäuser zu richten. Von Alexander Morhart