Der Sportrechtevermarkter SPORTFIVE hat gemeinsam mit dem Forschungs- und Beratungsunternehmen Nielsen Sports eine Studie durchgeführt, um während der Corona-Pandemie die Bereitschaft zur Stadionrückkehr der Fußballfans in Deutschland zu erfragen. Im Rahmen der Erhebung, die im August stattfand, wurden 1.000 Fans zwischen 16 und 69 Jahren repräsentativ befragt.
Aus der Studie „Bereitschaft zur Stadionrückkehr unter Fußballfans in Deutschland“ lassen sich vier Kernthesen ableiten und richtungsweisende Handlungsempfehlungen geben. Um Anhänger nicht zu verlieren, empfehlen die Autoren, über Hygiene-Maßnahmen aufzuklären und noch stärker auf den Bereich digitale Kommunikation zu setzen. Die Clubs müssten insbesondere die ehemaligen Stadiongänger wieder für einen Eventbesuch begeistern. Laut Studie sei zu befürchten, dass aufgrund der Corona-Pandemie diese Fangruppe mittel- und gegebenenfalls auch langfristig nicht wieder ins Stadion zurückkehren wird.
1) Die Fans bleiben zuhause
Fast die Hälfte der repräsentativ Befragten geben an, dass ihr Interesse an Veranstaltungsbesuchen (eher) geringer geworden ist (49 Prozent). Auf gleichem Niveau liegt das Interesse bei den Fußballinteressierten (50 Prozent) und den Vereinsfans (49 Prozent). Auch ehemalige Besucher von Sportereignissen geben zu 48 Prozent an, zunächst eher nicht mehr Live-Veranstaltungen zu besuchen. Die Ansteckungs- und Infektionsgefahr ist für rund die Hälfte dieser befragten Gruppen der Hauptgrund für ihre Zurückhaltung.
Diese Zurückhaltung korreliert auch deutlich mit dem Alter: Nach derzeitiger Datenlage muss man von einer längeren Reduktion von etwa 20 bis 30 Prozent der ehemaligen Stadiongänger rechnen. Hier ist zu betonen, dass die Umfrage im Sommer bei recht niedrigen Inzidenzen durchgeführt wurde. Laut der Studie hat nur eine Minderheit (zwischen 11 und 13 Prozent in den Subgruppen) ein gesteigertes Interesse an einem Veranstaltungsbesuch. Haupttreiber ist der lange Verzicht. Die Verantwortlichen der Clubs seien gefragt, das herkömmliche Stadionerlebnis zeitnah und mit so vielen traditionellen Elementen wie möglich wiederherzustellen – natürlich unter der Prämisse eines funktionierenden Hygienekonzepts, das transparent kommuniziert wird.
Ohne die traditionellen Bestandteile des Stadionbesuchs funktioniere es aber nicht, so SPORTFIVE. Dazu gehöre neben (der verlorenen Möglichkeit) des Spontanbesuchs auch das alkoholhaltige Stadionbier, die Öffnung von Stehplätzen und das Entfallen der Maskenpflicht als einfachste Maßnahmen. Verschiedene Bundesliga-Clubs hatten zunächst aufgrund der lokalen Auflagen auf den Ausschank von (alkoholhaltigem) Bier oder dem Anbieten von Stehplätzen verzichten müssen. Die Profi-Clubs verfolgen dabei unterschiedlich progressive Konzepte. So setzt man unter anderem in Leverkusen, Hamburg und Bremen schon auf eine klar kommunizierte 2G-Regelung und hofft, dass sich auch Ultra-Gruppen solidarisieren. In Mainz setzt man auf ein „2Gplus“-Modell, also auf „2G“ in Kombination mit „3G“ in bestimmten Bereichen des Stadions.
2) Kommunikation ist alles
Die Umsetzung und Kommunikation von Hygienekonzepten in den Stadien werden laut SPORTFIVE eine zentrale Bedeutung für die bestmögliche Zuschauer-Auslastung haben.
Mehr als 80 Prozent der Fans erwarten für eine Rückkehr ins Stadion umfassende Sicherheits- und Hygienekonzepte. Gewünschte Kernelemente dieser Hygienekonzepte sind:
Von besonderer Bedeutung sind auch die Kommunikationsmaßnahmen rund um die Hygienekonzepte. So geben 79 Prozent der Fans an, dass sie sich vor einem Stadionbesuch über die Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen informieren wollen.
SPORTFIVE fordert einen verständlichen Dialog, denn die Ängste und Sorgen der Fans müssten ernstgenommen und verstanden werden. Das bekräftigt auch Mathias Bernhardt, Managing Director DACH von Nielsen Sports: „Long-Covid ist nicht nur aus medizinischer Sicht relevant. Auch im Sport- und Entertainmentbereich gibt es aufgrund von Covid-19 Langzeiteffekte. Zwar kehrt das gesellschaftliche Leben glücklicherweise Schritt für Schritt zur Normalität zurück, doch bei vielen Fans haben sich neue Ängste und Verhaltensmuster eingestellt. Diese Ängste müssen die Klubverantwortlichen ernst nehmen und die individuellen Fanbedürfnisse verstehen, um maßgeschneiderte Lösungen und ein auf individuellen Bedürfnissen basierendes Fanerlebnis vor Ort anzubieten. Das erhöht die Chance, dass auch die Fans in naher Zukunft wieder ins Stadion zurückkehren, die dies bisher entweder aus Sorge vor einer möglichen Covid-Infektion oder aufgrund neuer Verhaltensmuster und Freizeitbeschäftigungen seit dem Lockdown vermieden haben. Gleichzeitig werden auch die Erlösquellen im Bereich Ticketing, Hospitality, Catering und auch Merchandising gesichert, die vor der Pandemie selbstverständlich waren.”
Das Gäste-Management und seine Kommunikation können laut dem Unternehmen sehr kurzfristig durch in Hygienekonzepte integrierte infrastrukturelle Lösungen wie Ticket-Management-Tools gestärkt werden, welche im VIP-, aber auch im Public-Bereich zur Geltung kommen. Aktuell arbeitet die Sportbusinessagentur SPORTFIVE an einer Umsetzung für ein solches Tool, bei der zunächst VIP-Hospitality-Kunden ihre Gäste digital und kurzfristig administrieren können. Das würde eine höhere Auslastung durch die praktische und kurzfristige Anwendung für den Stadionbesucher garantieren. Selbst bei einer Personalisierungspflicht könnten dann noch kurzfristig Änderungen vorgenommen werden. Ein solches Ticket-Management-Tool eröffne auch Chancen für das Leadmanagement von Vereinen. SPORTFIVE plant, das Tool bis Ende des Jahres interessierten Vereinen zur Verfügung stellen zu können.
3) Die Fanbindung lässt nach
Durch die Reduktion des Stadionerlebnisses in Quantität (= weniger Fans kommen) und Qualität (= der Stadionbesuch ist nur mit Einschränkungen möglich) wird perspektivisch auch die Fanbindung nachlassen.
Diese These lässt sich nur bedingt aus den vorliegenden Daten (da nur Querschnittsstudie und nicht Langzeitstudie) ableiten. Sie erscheint für den Sportrechtevermarkter aber logisch und Indizien liegen vor: Etwa 20 bis 30 Prozent der Stadiongänger würden angeben, dass sie zunächst nicht wieder ins Stadion zurückkehren würden. Laut Studie hält es die Hälfte der ehemaligen Stadiongänger und auch Fans generell für (eher) unwahrscheinlich, wieder Veranstaltungen mit hohen Zuschauerzahlen (über 1000 Zuschauer) zu besuchen.
Schon gleich zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 waren die Tribünen der Stadien leer und Geisterspiele waren monatelang gang und gäbe. Mit steigender Impfquote und 2G- bzw. 3G-Richtlinien gehören die Spiele vor leeren Rängen der Vergangenheit an – aber die Pandemie und ihre Begleiterscheinungen seien immer noch in den Köpfen der Fans. Die Angst vor einer Ansteckung bliebe präsent und das Interesse an Großveranstaltungen sei eher gering. Corona sei aber aktuell nicht das einzige Problem im Fußball, so die Forschenden. Denn die Pandemie trage ihren Teil zu einer möglichen Negativentwicklung bei: dem potenziell sinkenden Interesse am Fußball generell, am Fan-Sein und letztendlich auch am Stadionbesuch durch eine Schwächung des motivationalen Treibers „Stadionbesuch“, einer zunehmend nur noch medialen Verbreitung des Fußballs und dem Aufkommen neuer, gerade für jüngere Menschen attraktiven Entertainment-Segmenten.
Köln: Mit 2G-Regelung kann das RheinEnergieSTADION, Heimat des FC, wieder voll ausgelastet werden. Bild: StadionweltEin grundlegendes Problem sei, dass sich die Anstoßzeiten am TV-Zuschauer und weniger am Stadiongänger orientieren würden. Der deutsche Fußball steht für SPORTFIVE hier noch vor der entscheidenden Frage: Wird er weiter Medienprodukt bleiben – oder gibt es eine Rückentwicklung zum Stadionprodukt? Die Vereine seien hier in einer komfortablen Position, da das Hybridmodell aus beiden Produkten bisher gut funktionieren würde – und sich die „weitere Entwicklung weiter verselbständigen wird“.
Es sei dabei denkbar, dass Entwicklungen von Vereinen in die eine oder andere Richtung getrennt ablaufen. Perspektivisch werden sich die DFL als Dachverband und der Großteil der aktuellen Erstligisten noch mehr auf die TV-Zuschauer fokussieren und eher mit internationalem Fokus reichweitenorientiert handeln, während die Mehrzahl der Zweitligaklubs mangels Alternativen und Sichtbarkeit eher traditionell „kulturorientiert“ und für den lokalen Stadionbesucher handeln, so SPORTFIVE. Die Mitte würden Hybrid-Vereine bilden, die a) aufgrund der aktuellen sportlichen Performance zur unterklassigen Liga gehören, aber grundsätzlich mit ihrer Tradition und der existierenden Reichweite aktuellen Bundesligavereinen in Nichts nachstehen würden, oder b) über ein länger kurzfristiges sportliches Leistungshoch aktuell in der höchsten Spielklasse stattfinden würden, aber in Puncto Reichweite oder Tradition weniger vorzuweisen hätten.
4) Digitalisierung ist essenziell
Das Interesse an digitalen Live-Übertragungen von Sportevents ist sehr hoch - bei den Fußballinteressierten liegt der Wert bei 75 Prozent. Etwa die Hälfte der Vereinsfans wären auch bereit für digitalen Content zu zahlen, wenn auch mehrheitlich nur kleinere Beträge. Gerade für die Gruppe der Nicht-Mehr-Stadiongänger erscheinen solche Alternativen wichtig zu sein.
Ohne Spieltage im Stadion würden nicht nur maßgebliche Einnahmequellen wegbrechen, sondern auch wichtige Netzwerkmöglichkeiten vor Ort. Rechtehalter hätten in dieser Zeit mit Fan-Gruppen, Sponsoren und Business-Partnern viele interessante Kompensationskonzepte und Ideen entwickelt.
Die Impulse hieraus seien laut SPORTFIVE nachhaltig in Produktentwicklungen eingeflossen und haben einige großartige Cases hervorgebracht. Digitale Produkte stünden seit Corona noch mehr im Fokus. E-Sport sei aktuell von wichtiger Bedeutung, vor allem als Krisengewinner aller Sportarten in Zeiten der weltweiten Pandemie. Jahr für Jahr konnte auch der europäische E-Sport-Markt analog der weiteren kontinentalen Hotspots wachsen – sogar im Corona Jahr 2020, als E-Sport-Meisterschaften die Lücken der ausgefallenen Veranstaltungen aus dem traditionellen Sport füllten. Für den Sportrechtevermarkter sei klar, dass viele Rechtehalter sich dann auch für E-Sports Vermarktung entschieden haben. Borussia Dortmund hätte bereits vor der Pandemie verschiedene Schritte im Bereich E-Sports & Gaming unternommen – vor allem, um mit den Fans gemeinsam Spaß zu haben – und hätte diese über den Pandemie-Zeitraum zu einem E-Football-Best Case entwickelt.
Hier finden Sie die komplette repräsentative Studie zum Thema „Bereitschaft zur Stadionrückkehr unter Fußballfans in Deutschland“.
Die Corona Pandemie war für niemanden einfach – auch nicht für die Fußballwelt. Deswegen fordert SPORTFIVE eine klare Kommunikation der Vereine mit ihren Fans, um Vertrauen und Sicherheit zu schaffen. Aber nicht nur das klassische Stadionerlebnis sollte wiederhergestellt werden. Auch digitale Lösungen müsstengeschaffen werden, um im Fall der Fälle auf eine weitere Krise vorbereitet zu sein und Netzwerk- und Vertriebsmöglichkeiten auszubauen. (Stadionwelt, 04.11.2021)
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