Stiller Notruf, Studie: Was die Regierung gegen Gewalt an Frauen plant

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Stiller Notruf, Studie: Was die Regierung gegen Gewalt an Frauen plant
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  • Von deutschewhiskybrenner
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"Jeder Mord ist einer zu viel": Mit einer neuen Notruf-App, Studien,der Verbesserung von Prävention und Beweissicherung soll der Schutz von Frauen und Mädchen verbessert werden.

26 weibliche Opfer im Jahr 2021. „Abscheuliche Taten“, die laut Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) klar als „das zu bezeichnen sind, was sie sind". Nämlich: „furchtbare Verbrechen an Frauen“. Es handle sich dabei um Morde – und nicht um Beziehungs-, Familien- oder Eifersuchtsdramen: „Opfer bleiben Opfer, Täter bleiben Täter, Mörder bleiben Mörder“. Drohungen, Körperverletzung, Mord: „Gewalt in der Privatsphäre müsse klar angesprochen werden, wie Karner betonte. Und was er gemeinsam mit der Justizministerin und der Frauenministerin am Dienstag bei einer Pressekonferenz auch tat.

Die steigende Gewalt mache betroffen und wütend, so Justizministerin Alma Zadić (Grüne). „Es macht mich wütend, dass sie im vergangenen Jahr 26 Mal nicht verhindert werden konnte. Und dass wir sie heuer bereits zum dritten Mal nicht verhindern konnten.“

Neben den 26 Morden im Vorjahr wurden über 13.600 Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt, was einem Anstieg um 17 Prozent zum Vorjahr entspricht. Die Dunkelziffer habe sich allerdings verringert, so Karner. Und weiter: „Bei nur einem Tötungsdelikt an einer Frau wurde das Betreuungs- und Annäherungsverbot im Vorfeld verhängt.“ Er wertete dies als Zeichen dafür, „dass die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, auch entsprechend greifen“. Es seien aber weitere Schritte im Bereich Gewaltschutz nötig.

Verurteilungsrate erhöhen, Prävention stärken

Zunächst sprachen die Bundesminister aber davon, was im vergangenen Jahr für den Schutz von Frauen getan wurde. Mit einem Volumen von 25 Millionen Euro habe man „das größte Gewaltschutzpaket überhaupt“ festgelegt. Mit September wurden weitere Beratungsstellen für Gewaltprävention eingerichtet. Über 5000 Gefährder wurden dadurch von September bis Dezember einer verpflichtenden Betreuung zugeführt. Die Arbeit mit den Tätern sei für den Schutz der Opfer nämlich ebenfalls essenziell, so der Innenminister. Zudem wurde die Zahl der Präventionsbeamten erhöht: Von 500 auf mittlerweile 842 Personen aufgestockt. Außerdem gab es im Jahr 57 Fallkonferenzen, bei denen Experten gemeinsam mit der Polizei über Fälle beraten „und daraus im Sinne der Betroffenen Schlüsse ziehen“. Außerdem werde die Informationskampagne weiter ausgebaut und fortgesetzt.

Justizministerin Zadić ging auf die Kritik der geringen Verurteilungsquote ein. Um diese zu erhöhen, habe sie bereits einige Maßnahmen ergriffen. Sie habe etwa einen regelmäßige strukturierten Dialog zwischen Opfereinrichtungen, Staatsanwaltschaften und der Polizei ins Leben gerufen. Denn der Informationsfluss zwischen diesen Stellen sei essenziell, um zu sehen, „wo man ansetzen kann“. Zudem wurde die Prozessbegleitung ausgebaut. Sie stelle sicher, dass Betroffene den Täter anzeigen - um letzten Endes auch eine Verurteilung zu bewirken. Derzeit nehmen nur 20 Prozent der anspruchsberechtigten Opfer eine Prozessbegleitung in Anspruch, so Zadić: "Mir wäre es am liebsten, wenn es jede Frau tun würde".

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Ebenfalls entscheidend sei die Qualitätssicherung bei Beweissicherung. Vor diesem Hintergrund habe sie einen Gewaltschutzerlass an die Gerichte verfügt. Rechtzeitig aufgenommene Beweise könnten besser verwertet werden, wenn es zum Prozess komme. Daher habe sie Staatsanwaltschaften angewiesen, die Vernehmungen unmittelbar durchzuführen.

Notruf-App und eingesetzte Gewaltambulanzen

Neu ist, dass es ab 1. März eine Notruf-App geben wird. Per Knopfdruck kann ein „stiller Notruf“ über 133 getätigt werden. „Ohne die Sicherheit der Frauen zu gefährden“, betonte Karner. Die Polizei tätige keinen Rückruf, sondern rückt automatisch zur hinterlegten Adresse aus, der Täter bekomme dabei nicht mit, dass ein Notruf ausgegeben wurde.

Das im vergangenen Jahr geschürte Gewaltschutzgesetz soll evaluiert werden. Fallkonferenzen und Wegweisungen werden dabei ebenfalls analysiert, entsprechend wird qualitativ überarbeitet und nachgeschärft.

Die Unterstützungsbeamten, die seit 1. Juli als Pilotprojekt in der Landespolizeidirektion Wien eingesetzt wurden, sollen bundesweit ihre Aufgabe aufnehmen. Geschulte Beamte unterstützen dabei „die Kollegen vor Ort“, erklärt Karner, „die draußen unterwegs sind, wenn eine Alarmierung stattfindet“. Wenn eine Frau in Gefahr sei, seien sie unterstützend zur Stelle.

Außerdem werden flächendeckend Gewaltambulanzen eingerichtet, kündigt Justizministerin Zadić an. Ressortübergreifend zwischen Innen-, Justiz- und Frauenministerium werde dafür bis Ende des Jahres eine Studie in Auftrag gegeben, „die sich genau das anschauen und Empfehlungen abgeben soll": Wie ein derartiges Konzept für Gewaltambulanzen aussehen soll. Opfer von Gewalt sollen dabei kostenlos untersucht werden, vorhandene Spuren gesichert, Verletzungen gerichtsfest dokumentiert werden. „All das kann später, auch wenn unmittelbar keine Anzeige erstattet wird, verwendet werden, wenn es darum geht, dass das Verfahren aufgerollt wird“, so Zadić.

Eine Studie hat auch Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) angekündigt, um die Frauenmorde der vergangenen Jahre zu evaluieren. Man dürfe „auf keinem Aug blind sein": Darum solle die Studie auch auf „Gewalt im Kontext von patriarchalen Ehrenkulturen" fokussieren, so Raab. Auch kündigte sie mehr Personal für die neue Koordinierungsstelle gegen Genitalverstümmelung an, die diese Woche ihre Tätigkeit aufgenommen hat.

Auch die Gewaltschutzeinrichtungen sollen besser bekannt gemacht werden, damit Frauen wüssten, wohin sie sich wenden können. „Wir sammeln erstmalig Zahlen und Daten; damit wir sehen, wie wir in unserer Gesellschaft weiter mit dem Thema umgehen", so Raab. Gewalt gegen Frauen und Mädchen habe keinen Platz in unserer Gesellschaft, betonte sie. Fachberatungsstellen sollen ausgebaut und finanziell gestärkt werden, österreichweit soll es ein gutes Angebot für Opfer von sexueller Gewalt geben. Gewaltschutzeinrichtungen sollen auch in ihrem Außenauftritt unterstützt werden, „damit jede Frau weiß, wohin sie sich wenden kann“.

Gewalt im privaten Bereich gehe uns alle an, so die Familienministerin. Sie wollte wiederholt alle Frauen wissen lassen: „Es gibt nichts, was eine Frau tun kann oder wie sie sich verhalten kann, dass sie Opfer von Gewalt werde.“ Es liege zuletzt auch an der Bundesregierung, die alles in ihrer Macht Stehende unternehme, Frauen zu stärken, ihnen ihre Unterstützung anzubieten. „Damit sie zu jedem Zeitpunkt wissen, dass sie niemals verurteilt werden, wenn sie um Hilfe ansuchen oder die Polizei rufen“. In „vielen kleinen Schritten“ will man die Verurteilungsrate erhöhen und damit für den Schutz von Frauen sorgen, so auch Justizministerin Zadić. Die eine Stellschraube, die alle Probleme löse, gebe es dabei leider nicht. „Wir müssen an vielen kleinen Schrauben drehen, um aus dieser Gewaltspirale auszubrechen“.

(bsch)